Und sonst so?

Gute Frage. Es ist Winter auf dem Felsen. Da ist traditionell nicht so viel los.

Außerdem ist Pandemie und Shutdown Nummer Zwei. Man rettet sich mit Galgenhumor über die Runden.

An manchen Tagen macht das kluge Telefon “Piep” und man geht aus ganz anderen Gründen gerne in die freiwillige Selbstisolation.

Draußen vor dem Südhafen kocht die Nordsee. Und sie kocht kein gemütliches Süppchen.

Im Hafen selbst ist natürlich nichts los. Wo sonst Urlauber bei einem Kaffee auf ihr Schiff warten, werden Schnelltests “serviert”.

Auch in normalen Zeiten würde heute kein Schiff hierher fahren.

Aber es ist sowieso Donnerstag.

Wegen des #$%?!!!-Virus fährt das Schiff nur Montags, Mittwochs und Freitags für einige wenige Insulaner, Handwerker und Offshore-Arbeiter.

Kombiniert mit der Wetterlage kann da schnell mal eine Woche ohne Schiffsverbindung zusammenkommen.

Dann muss man sich für dringenden medizinischen Bedarf einen anderen Lieferservice suchen.

À propos Medizin: Für uns alle, die keine Krankenpfleger, Ärzte oder Supergenie-Molekularbiologen sind, bleibt nur die Aufgabe, vorsichtig und rücksichtsvoll zu bleiben, weiter unser Ding zu machen, soweit es geht und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Ein Regenbogen lässt sich auch von Orkanböen nicht beeindrucken.

(Und ja, zwischen den beiden vorigen Sätzen gibt es eine Beziehung.)

Mal ganz unter uns

Tja, jetzt sind wir Insulaner wieder ganz unter uns.

Das kommt immer mal wieder vor in den Wintermonaten, allerdings bisher nicht aufgrund offizieller Verfügungen und Verordnungen.

Wer aufs Festland fährt, muss vor der Rückkehr (oder ersatzweise sofort nach der Ankunft auf dem Felsen) einen C*r*na-Test machen lassen. Zum Vergnügen wird zur Zeit wohl niemand eine solche Reise antreten.

Nachmittags sitze ich an der winterfest verbarrikadierten Landungsbrücke, und lese ein wenig in dem gerade eingetroffenen Buch. Neulich hatte ich einen abendlichen ZVAB-Kaufanfall.

Es ist ungewöhnlich still, weil die Tiefdruckgebiete des Winters sich gerade westlich Spaniens über dem Atlantik austoben. Auf einem Balkon des “Hüs Weeterkant”, in dreihundert Meter Entfernung, reißt ein Handwerker ein Stück Klebeband von der Rolle. So still ist es.

Dicht

Nun ist es also offiziell.

Ab Montag müssen alle Gäste abreisen. Weil das aber bei uns so eine Sache ist mit den Verkehrsverbindungen, gilt noch eine “Gnadenfrist” bis zum Mittwoch.

Helgoline (also die mit dem Katamaran) haben nämlich schon vergangene Woche den Schirm zugeklappt, als die neuen Shutdown-Verordnungen und Verfügungen am Horizont sichtbar wurden. Und Cassen Eils (die mit dem Helgoland-Schiff) haben den Fahrplan auf drei Tage pro Woche eingedampft. Aber die Passagierzahlen bewegten sich seit Tagen sowieso schon im bescheiden zweistelligen Bereich. Da hat dann jeder Fahrgast sein persönliches Crewmitglied ;-) .

Inzwischen gibt es auch ein offizielles Fazit der Gemeindeverwaltung.

Kurz gesagt: In einem “normalen” Jahr wären die Gästezahlen ein Desaster gewesen, in diesem Jahr hätten sie schlimmer sein können. Zwei Gäste wurden positiv auf das Virus-dessen-Name-allmählich-Schreikrämpfe-bei-mir-verursacht getestet, aber es ist keine Infektionskette entstanden. Puh!

Fe und ich laufen durchs Oberland, um nachzusehen, ob auch alle weg sind ;-).

Jo, scheint so. Unterwegs finden wir noch einen letzten Nachzügler der Steinschlange und sammeln ihn für die Nachwelt ein.

Die Brutvögel sind ebenfalls abgereist und der Felsen offenbart, wieviel Plastikmüll “wir” in die Nordsee geworfen haben.

Das ist das blaue und orangene Zeugs, das die Vögel nicht von Gras und Tang unterscheiden können. Und in dem sich dann jedes Jahr Jungvögel verfangen und zu Tode zappeln.

Das ist kein schönes Bild, also klickt es nur an, wenn ihr unbedingt die Folgen sehen wollt.

Wir überprüfen kurz, ob die Lange Anna noch steht. Check.

Dann geht es auf der windabgewandten Ostseite wieder zurück zu Licht, Wärme und Abendessen.

Liebe Leute, bleibt gesund und gebt nicht auf.

Ja, ich weiß, ich sollte mich erstmal selbst an meine klugen Ratschläge halten.

Rums

Und da wären wir dann wieder. Der 240. Märztober, irgendwie. Ab heute ist die Insel faktisch vom Festland isoliert.

Der Wortlaut der Verfügung aus Pinneberg ist nicht der gleiche wie vor einem halben Jahr, aber alles in allem läuft er auf dasselbe hinaus. Ohne negativen Carola*-Test kommt keine(r) rein und die Krankenkassen werden die Kosten nicht übernehmen, wenn es “nur” um eine Urlaubsreise geht.

Aber ok, die Saison ist sowieso vorbei. Ich habe noch keinen Insulaner meckern gehört.

Die Krankenhäuser auf dem Festland füllen sich, die Insel leert sich.

Mal sehen, wie lange wir das aussitzen können.

* Ja, ich weiss, es ist schon wieder Galgenhumor, aber eine Freundin auf dem Festland weigert sich schon seit Wochen, das Wort “Corona” auszusprechen, “weil sie das an den Rand des Schreikrampfs bringt”. Die Carolas dieser Welt können natürlich nichts dafür.

Also schön

Ok Leute, das wars.

Die Zugvögel und die Birdies sind wieder abgereist. Traditionell sind die Vogelbeobachter die letzten im Jahr und machen das Licht aus. Die Saison ist gelaufen.

Und schön wars, trotz aller deprimierender Ereignisse in diesem nicht-so-Lieblingsjahr. Deswegen leben wir hier.

Andere Menschen sehen das anscheinend genau so, auch wenn sie nicht gleich vom Festland hierher umziehen. Steigt mal den Jägersteig hinunter zum Strand und seht euch das genauer an. Das sind eine Menge Steine, die mensch da schleppen muss.

Also schön, wie es scheint.

Ungewiss

Was gewiss ist: Die Möwenfussballmannschaft an der Schule hat Verstärkung bekommen.

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Am Lummenfelsen gibt es neue Anreisen.

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Das Wetter bleibt… erfrischend (auch “brrr” genannt).

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Und die “Lange Anna” ist immer noch nicht umgefallen.

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Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten. Die Straßen liegen leer und verlassen.

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Aber hier nennt man das nicht Viruspanik. Man nennt es “März”.

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Nichtsdestotrotz: Eigentlich wollten wir in drei Wochen Freunde auf dem Festland besuchen. Der Bundesgesundheits-Jens ermuntert uns aber immer dringender, das nicht zu tun. Mal sehen.

Auch hier reden die Leute über die anstehende Pandemie. Weil früher oder später ein argloser Mensch mit dem Mistvieh an Bord hierher kommen muss.

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Weil keiner weiß, wohin dieser Weg führt. Aber das Reden gibt uns für kurze Zeit das Gefühl, so etwas wie Gewissheit zurückzugewinnen.

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Gewiss ist: Das Gestern ist ein Schatten, die Gegenwart ein Lidschlag und die Zukunft ein Schemen im Nebel.

Nicht schon wieder

Vor zwei Wochen gab es einen Tag, an dem die Sonne schien. Die Helgoländer wickelten sich die Schals aus dem Gesicht und wurden ungewöhnlich redselig. Sonne macht albern.

Jetzt ist aber wieder Schluss mit lustig. Der Frostriese ist zurück.

Er hat sich einen anderen Decknamen zugelegt, aber das nutzt nichts. Haben wir uns nicht schon mal gesehen?

Und überhaupt: Irenäus??? Was soll das denn für ein Name sein? Mir machst du nichts vor.

Der Inseldoc verlängert meinen Krankenschein, weil er weiss, was ich beruflich so mache und weil die Fenster der Arztpraxis genauso klappern wie meine zuhause.

Macht auch keinen großen Unterschied. Kein Schiff fährt heute. Und morgen auch nicht.

 

Ein Monat

Tja, da war Fe noch hier.

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Weil die Helgoländer Wohnungen so pupsklein sind, haben wir eine Hütte drüben auf der Düne gemietet.

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Wie meine fantastische ehemalige Steuerberaterin mal schrieb: Was macht man denn auf Helgoland, wenn man reif für die Insel ist?

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Man läuft am Strand entlang.

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Dann ist da noch die Sonne. Die geht auf und unter.

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Manchmal wird man beobachtet, aber es macht nichts.

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Die Jugend ist wie üblich neugieriger als die Erwachsenen.

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Der einzige Haken ist, dass ich morgens mit dem Bus zur Arbeit fahren muss. Und das ist die Bushaltestelle.

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Vor einem Monat war manchmal auch noch das Dünenrestaurant geöffnet.

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Manchmal auch nicht. Nicht so schlimm, denn als Fe noch hier war, füllte sich der Kühlschrank auf automagische Weise stets von selbst.

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Dann kam der Rest des Monats. Und was das für einer war!

Normalerweise hat das Leben hier eine niedrigere Taktfrequenz, aber manchmal schwappen hektisch gemachte Pläne vom Festland herüber. Das Blöde ist: Wenn du hier am Südstrand im Laufschritt gesehen wirst, fragen dich die Insulaner drei Tage lang, was passiert ist ;-) .

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Ein Monat. Dann ist Fe wieder hier.

 

Licht an

Der Winter war lang. Laaang. Und trübe. Trüüübe. Auf dem Weg zur Bücherei mache ich ein Foto von meinem Schatten, einfach, weil ich mich nicht erinnern kann, wann ich zum letzten Mal einen Schatten geworfen habe. Muss irgendwann im November gewesen sein.

Aber seit zwei Tagen gibt es wieder dieses komische helle Ding am Himmel und zum Glück gehts dem Sommer entgegen ;-) .

Gerade rechtzeitig wohl auch für das Filmteam, das vor ein paar Tagen hier aufschlug, um einen Helgoland-Krimi zu drehen. Die haben allerdings vorsichtshalber ihr eigenes Licht mitgebracht. Sogar so viel, dass man es von meinem Fenster aus sehen kann.

Auf meinem Abendspaziergang bin ich dann doch neugierig, aber aus der Nähe sieht es natürlich so prosaisch aus wie alle anderen location shoots sonst auch.

Eine Menge Kabel, Scheinwerfer und Klimbim, Roadies und AssistentInnen, die gerade auf die harte Tour herausfinden, dass W*ll*nst**n-Jacken auf Helgoland nicht warmhalten.

Ich hab mal den Roman gelesen, der dem Drehbuch zugrunde liegt. Mit dem realen Helgoland hat er nicht wirklich was zu tun. Aber ich habe mir von gut informierten Fachfrauen sagen lassen, dass das beim Münster-Tatort auch nicht anders ist. So what.