Ostern

Auferstehungs-, Frühlings-. Hoffnungsfest:

All das will sich bei mir dieses Jahr nicht so recht einstellen.

Ich denke ein Jahr zurück. Von heute aus gesehen wirkt diese Zeit fast idyllisch – obwohl sie das nicht war:

erste Pandemiewelle, Schulen geschlossen, alles gesellschaftliche Leben auf null gebracht.

Debatte über die Wirksamkeit von Masken –

Aber es schien Hoffnung zu geben – die Welt schien noch Glanz zu haben –

es gab Tipps für dye-Hefe,

es gab Galgenhumor,

es gab bemalte Eier und Straßengraffiti –

Jetzt wirkt der Hang an der Treppe wie das Spiegelbild der allgemeinen Befindlichkeit …

und doch:

Auch wenn der Saisonstart wieder verschoben ist – nach den 18. April -, einzelne Geschäfte machen auf,

Hotels bereiten sich auf Gäste vor.

Aus der Kirche weht leise Gesang aus dem ökumenischen Gottesdienst herüber. –

Wie schön, wie tröstlich …

Auf einem Busch auf der Westseite der Nicolaikirche versammeln sich Spatzen und Stare seit Wochen zu Sonnenbad und Palaver.

Die Stare sind noch ein wenig scheu. Aber die Spatzen interessieren sich nicht mehr für die großen Zweibeiner. Sie singen ihr Hochzeitslied – und ….

In den Ferien geht ein Musikprojekt für die Kinder weiter – Danke, Leute.….

An den Postfächern finde ich zwei Aushänge mit Abreißzetteln.

Es klingt so einfach und scheint so schwer –

Na – dann mal an die Arbeit ;-)

Eia popeia

Die Helgoländer StraßenmalerInnen waren wieder am Werk. Und nicht nur die.

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Wundersamerweise gibt es nämlich nicht nur Osterschmuck in den Vorgärten…

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…sondern auch in den Bäumen an der Oberlandtreppe.

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Und da der Aufzug ja nur noch im Notbetrieb fährt, ist die Treppe mehr denn je die Hauptverkehrsader der Insel.

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Vielleicht fragt sich die (oder der) eine oder andere: Es gibt eine lang andauernde Pandemie mit ungewissem Ausgang und ihr dekoriert die Bäume mit Ostereiern? Habt ihr denn Lack gesoffen da oben?

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Nee, eigentlich nicht.

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Es ist nämlich nicht wissenschaftlich belegt, dass Untergangsstimmung infektionshemmend wirken würde.

Wer keine Eier anmalen will, kann ja auch die seit langer Zeit geplante Renovierung der Gartenbank in Angriff nehmen.

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Einer der Rettungssanis vom Inselkrankenhaus bleibt kurz stehen, reibt sich das Kinn und meint grinsend: “Man könnte sie aber auch blau streichen.”

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Es gibt ja Leute (und die kommen nicht nur vom Festland), die behaupten, dass man sowieso einen Vogel haben muss, um hier zu leben. Kein Problem. Haben wir reichlich.

Vielleicht, vielleicht haben wir es einfacher in dieser Zeit, hier am Ende der Welt.

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Das wird aber nicht so bleiben. Denn auch unsere Insel ist Teil einer Welt, die nicht länger als ein paar Tage langsamer werden darf, ohne auseinanderzufallen. Und damit diese Welt so weitermachen kann, werden bald neue Prioritäten gesetzt.

Ärzte werden zu medizinischen Sachverhalten befragt und ihre Antworten, meistens gegen ihren Willen, zu gesellschaftspolitischen und ethischen Entscheidungsrichtlinien umgemünzt. Am Ende entsteht vor mir eine Zukunftsvision, die so grausam und kalt ist, dass ich die entsprechenden Zeilen entsetzt wieder vom Bildschirm lösche.

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Dann doch lieber an der Steilklippe stehen und zusehen, wie ein Frachtschiff in einer Nebelbank verschwindet.

Reg dich ab, du alter Schwarzmaler. Lebe heute und erhoffe das Beste. Wie die MalerInnen von Helgoland.