Mal ganz unter uns

Tja, jetzt sind wir Insulaner wieder ganz unter uns.

Das kommt immer mal wieder vor in den Wintermonaten, allerdings bisher nicht aufgrund offizieller Verfügungen und Verordnungen.

Wer aufs Festland fährt, muss vor der Rückkehr (oder ersatzweise sofort nach der Ankunft auf dem Felsen) einen C*r*na-Test machen lassen. Zum Vergnügen wird zur Zeit wohl niemand eine solche Reise antreten.

Nachmittags sitze ich an der winterfest verbarrikadierten Landungsbrücke, und lese ein wenig in dem gerade eingetroffenen Buch. Neulich hatte ich einen abendlichen ZVAB-Kaufanfall.

Es ist ungewöhnlich still, weil die Tiefdruckgebiete des Winters sich gerade westlich Spaniens über dem Atlantik austoben. Auf einem Balkon des “Hüs Weeterkant”, in dreihundert Meter Entfernung, reißt ein Handwerker ein Stück Klebeband von der Rolle. So still ist es.

Wartungstermin

Autos müssen alle paar zehntausend Kilometer zur Inspektion und mein Blutzucker alle drei Monate. Seezeichen auch, etwa einmal im Jahr, je nachdem, wo und wie sie den Kräften des Wetters und der Gezeiten ausgesetzt sind.

Die Kardinaltonnen östlich der Landungsbrücke haben es vergleichsweise gut. Trotzdem kommt heute die “Triton”, ein Arbeitsschiff der Küstenwache, um den Zustand der Tonne und der Ankerkette zu überprüfen.

Dazu muss das Ding aber erstmal aus dem Wasser gehievt werden.

Der Auftriebskörper wird mit einem Monsterdampfstrahler von Muschel- und Tangbewuchs gereinigt. Der führt nämlich unter anderem dazu, dass sich die Tonne im Seegang mehr bewegt und die Ankerkette schneller verschleisst.

Als ich noch ein kleines Mädchen war, lief im Kino mal ein Eastwood-Western mit dem Titel “Hängt ihn höher” (durfte ich damls natürlich nicht kucken ;-) .

An Bord wird die Tonne dann nochmal genauer auf Lecks und andere Beschädigungen untersucht. Zur Sicherheit ist auch eine Reservetonne mit an Bord.

Und danach geht es dann wieder zurück ins Wasser.

Das klingt wahrscheinlich alles nicht sooo aufregend. Es ist wahrscheinlich so spannend wie eine Großbaustelle auf dem Festland, an der gerade ein besonders sperriges Bauteil mit dem Autokran verladen wird. Da stehen dann ja auch immer ein paar Schulkinder, Pensionäre und Mittagspausen-Sachverständige herum und knipsen vor sich hin.

Anreisen, Abreisen (2)

Die Insulaner sind an An- und Abreisen gewohnt, ganz besonders im Sommer. 

Manche Menschen kommen mittags hier an, laufen einmal um die Insel herum zur Langen Anna, dann auf dem Rückweg durch die Duty-Free-Shops zurück zum Hafen. Und um 16 Uhr sind sie dann alle wieder weg.

Andere bleiben drei, vier Tage, fahren auch mal zur Düne rüber, die Robben und Seehunde besuchen. 

Dann glauben sie, alles Wichtige gesehen und erlebt zu haben. 1.800 mal 600 Meter Felsen, einmal auf dem längsten Weg außen herum laufen bedeutet fünf Kilometer, was soll da übrig sein? Hmmm…

Manche Gäste bleiben noch etwas länger. 

Und dann geht es doch wieder zurück, zum letzten Boot, das die Passagiere zu den Fährschiffen über setzt.”Macht mal hinne”, grummelt einer der Börteschiffer, “knutschen könnt ihr gleich immer noch.”

Nee, Kollege. Das ist ja das Problem. Ich bleibe hier. 

Dann hebt das letzte Schiff den Anker, eine halbe Stunde später ist die Reede wieder leer und es gibt einen Ort auf dem Felsen, an dem gestern noch jemand war. 

Und diesen Ort trage ich mit mir herum. Musik, bitte.

Tierlieb

In den letzten Tagen war es wieder kalt und neblig und irgendjemand hat sich wohl Sorgen gemacht, daß der Berliner Bär im Oberland sich erkältet.

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Ursprünglich fand ich es kurios, daß viele Leute fragen, warum der da überhaupt steht. Dann wird mir aber klar, wie alt ich bin:

Früher gab es ja mal ein durch eine Mauer geteiltes Deutschland und mindestens jedes mittelgroße Kaff in Westdeutschland hatte einen Berliner Bären mit einer Entfernungsangabe. Im Grundgesetz stand ja auch drin, daß eine Wiedervereingung von Ost- und Westdeutschland irgendwie eine erstrebenswerte Sache sei.

Seit über einem Vierteljahrhundert ist das aber eigentlich Geschichte. Gut, daß sich gelegentlich jemand um den kleinen Kerl dort oben kümmert. Meistens ist das nämlich der windigste Ort auf dem ganzen Felsen.

Vielleicht hat aber auch nur jemand seine Mütze verloren ;-) .

Heile Welt

Der Lieferservice bringt eine Pappe Dosenbölkstoff und wenn man abends nach Hause kommt, steht das Zeugs immer noch da.

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Ich weiß, das beweist eigentlich nix. Aber trotzdem denke ich daran, wie ich beim vorletzten Festlandsbesuch im Cuxhavener Bahnhof mal kurz in den Kiosk ging und mir plötzlich heiß und kalt einfiel, daß ich meinen Rucksack mit allen möglichen Kronjuwelen draußen am Bahnsteig hatte stehen lassen. Nix passiert, uff.

Kinderkaufladen

An der Siemens-Terrasse im Unterland steht ein kleiner roter Tisch mit bemalten Kieselsteinen und Feuersteinen. Die haben zwei Inselkinder gemacht bzw. gesammelt. Daneben steht eine Spardose und der Rest ist Selbstbedienung. Keiner klaut die Spardose und ich vermute aus schierem Optimismus, daß auch niemand Steine mitnimmt, ohne zu bezahlen.

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Cool. Count me in ;-).

Putzig

Die neuen Heidschnucken sind eingetroffen! Mama und Papa Heidschnuck haben sich viel Mühe gegeben und aus irgendeinem Grund macht der Anblick glücklich.

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Tja, liebe Leute, Katzencontent war gestern. Heidschnuckencontent ist der neue heiße Sch**ß ;-) .

Das andere Rauschen (revisited)

Drei Wochen auf dem Festland gehen zu Ende. Schön wars, so viele Freunde wiederzusehen. Den Rest… den Rest könnt ihr behalten.

Das Gebrumme der Autos, der Züge und Klimaanlagen fällt mir schon fast nicht mehr auf. Etwas Anderes bleibt aber eigenartig. Überall steht irgendetwas geschrieben:

Hallo, blink, äh du, leucht, ich bin eine Nachricht, flimmer, beachte mich doch mal, entschlüssle mich, tu dies und das…

Manchmal ist das beunruhigend, wo es eigentlich beruhigend sein soll.

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Manchmal ist es auch einfach nur… rätselhaft.

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Klar gibt es auch auf dem Felsen Schilder, Wegweiser und sogar etwas Reklame. Nur von allem etwas weniger.

Ein Rauschen ganz anderer Art, nicht im Hörnerv, sondern im, äh, Lesenerv. Lesenerv, gibts sowas überhaupt?

In zweieinhalb Stunden geht das Schiff zurück.

Hamburg

Eine Helgoländer Familie hat mir Einblick in ihr Familienarchiv gewährt.

In einem ganz alltäglichen Büroraum voller ganz alltäglicher Baumarktregale stapeln sich Bücher und Ordner voller Briefe und Zeitungsausschnitte. Die Hälfte davon ist älter als ich. Zwischen den Schriftstücken liegt in einem Regal eine Männerarmbanduhr, deren Glas und Gehäuse in Jahrzehnten zu einem gleichmäßigen Matt abgetragen wurde.

Abends fahre ich zurück ins Hotel. S-Bahn, alle starren auf ihre Smartphones. Irgendwie erinnert mich das an die Szenen in der Monorail in Fahrenheit 451.

Draußen zieht hinter einem HVV-Bus die Große Welle von Kanagawa vorbei.

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