Schönheit am Morgen

Gestern habe ich in alten Fotos gestöbert. Sollte ich vielleicht nicht mehr unbeaufsichtigt tun, denn danach war ich ganz melancholisch. Wie schön wir damals waren, so verwegen und unaufhaltsam!

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Und in Wirklichkeit natürlich auch so planlos, unsicher, selbstgerecht und eitel.

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Aber das fällt mir nur dann ein, wenn ich richtig versuche, mich zu erinnern.

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Wenn ich mich heutzutage nach Schönheit sehne, laufe ich in den Hafen und schaue aufs Meer.

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Ich könnte natürlich noch ein paar Stunden warten und junge Frauen an der Südpromenade begaffen. Örks.

Räuber

Der Festländler wird ja manchmal wehmütig, wenn er Möwen rufen hört. Der Insulaner eher weniger.

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Aus dem Fragenkatalog für die Helgoländer Schnitzeljagd 2015:

Ein- bis zweimal pro Woche liegt bei den meisten Häusern auf der Insel ein Bettlaken vor der Tür. Was hat das zu bedeuten?

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Das ist ganz einfach zu beantworten.

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Denn das bedeutet, daß gerade die Müllabfuhr da war. Und unter dem Bettlaken lagen zuvor die Abfalltüten, die die Möwen ansonsten in Sekunden zerreißen und über die Straße verteilen würden.

Auf dem Heimweg

Die Gäste sind gästegeführt, der vergeigte Router im Hotel routet wieder, die Stille schweigt am Hafen vor sich hin und mein Schatten hat sich schon mal hingelegt.

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An vielen Tagen sitze ich da und denke nach. An manchen Tagen sitze ich einfach nur da.

Nr. 20145

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Eigentlich wollte ich ja nur meine Resturlaubstage ausrechnen. Dabei hat mir aber mein Taschenrechner mehr oder weniger ungefragt zugeflüstert, daß er ja auch die Anzahl der Tage zwischen zwei Kalenderdaten berechnen kann.

Heute ist also der zwanzigtausendeinhundertfünfundvierzigste Tag dieses Lebens.

Aha.

Irgendwie schon beeindruckend. Naja, irgendwie ;-) .

Trugbild

Ist das ein Vogel oder hat mir jemand was in den Tee getan?

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Auch ansonsten ein ruhiger Tag. Schöne Inselführung, Gäste mit diesem fast unmerklichen wir-wissen-schon-warum-Lächeln in den Mundwinkeln. In kreischendem Gegensatz dazu die neuesten Nachrichten vom Festland.

Hier wäre es schwer, überhaupt genügend Menschen zusammen zu kriegen für eine solche Grausamkeit. Nicht mal die Nazis haben das geschafft, siehe Kropatscheck. Man kann sich hier nicht verstecken hinter irgendeiner Bewegung, Religion oder was auch immer da herhalten muß. Was man tut oder läßt, geschieht allerzuerst in der ersten Person.

Spätestens im Dezember werde ich auch wieder aufs Festland reisen. In ein anderes Land.

Komisch, das mit der Insel.

Die Schiffchen ins Trockene bringen

Daß der Straßenverkehr auf dem Felsen etwas anders aussieht, habe ich ja schon des Öfteren mal erwähnt. Bestimmte Kombinationen von Zugmaschine und Nutzlast bringen mich aber immer noch zum Lächeln…

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Auch ansonsten stehen die Zeichen auf Saisonende. Vorgestern hat sich die Fair Lady Richtung Bremerhaven mit großem Getute in die Winterpause verabschiedet und in einem Monat kommt dann nur noch das Winterschiff. Die neue Helgoland laboriert aber immer noch in der Werft mit technischen Kinderkrankheiten des LNG-Antriebes, also muß die Atlantis wahrscheinlich doch noch etwas länger durchhalten.

Kein Weg zurück

Seit drei Tagen Sturm, keine Schiffe und auch die Inselflieger haben alle Flüge abgesagt.

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Am Himmel ziehen Wolkenschlösser vorbei, die von Graf Dracula entworfen sein könnten.

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Auf dem Weg zum Südhafen gehe ich in den Sailor’s Shop und kaufe ein Handbier. Im Radio läuft gerade “Kein Weg zurück” von Wolfsheim. Einer der seltenen Augenblicke, in denen der Dudelfunk die passende Musik spielt.

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In der Hafenstraße warten die Baracken gegenüber der Feuerwehr immer noch auf ihre Gentrifizierung.

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Dann gehe ich nach Hause, liege auf dem Bett und lese meinen Kropatscheck weiter.

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Und ich weiß wieder: Wir sind alle Glückskinder, Wolfsheim-Musik hin oder her.

Die Kleine, die Große und die Überflüssige

Vor ein paar Jahren wohnte ich in Essen im Ruhrgebiet in einer etwas vermoderten Villa, direkt neben der 24-Stunden-Tankstelle. Abgesehen von Bier und Chips rund um die Uhr konnte man bei extremer Langeweile auch am Wohnzimmerfenster abhängen und das Treiben rund um die Tanke ankucken, denn alle paar  Tage müssen alle die Benzinosaurier dorthin:

Die Schrottlauben, die Ich-habe-sechsstellig-bezahlt-für-ein-Auto-Monster, die verbeulten Kurier- und Handwerker-Kleinbusse und einmal in der Woche der Tanklaster.

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Irgendwie hat sich in dieser Hinsicht gar nicht so viel geändert, denn auch auf Helgoland wohne ich gegenüber der Bootstankstelle:

Ganz vorne die Diker, die die Forschungstaucher der Biologischen Forschungsanstalt hinausbringt, hinten rechts die Ebba 2, die die Tankstelle mit Nachschub versorgt und links eine Privatjacht, die zu gar nichts taugt, außer massenhaft Sprit in Abgase zu verwandeln und vielleicht dabei sexy auszusehen. Passenderweise heißt dieses unnütze Ding Cigarette.

Plus ça change, plus c’est la même chose, wie die Franzosen sagen ;-) .

We don’t live in a yellow submarine

Das gelbe Ding im Binnenhafen ist nämlich unbemannt, wird von der Noorcat im Hintergrund ferngelenkt und sucht mit einer Unterwasserkamera nach Munitionsresten und Blindgängern im Binnenhafen.

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Ja genau, nach 63 Jahren, immer noch. Krieg ist wirklich eine ganz schlechte Idee.

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Ferngesteuerte gelbe Forschungs-U-Boote sind allerdings schon sehr cool. Wenn ich groß bin, will ich auch eins ;-) .

Ansonsten? Draußen weht es mit Windstärke 10, keine Schiffsverbindungen mehr und langsam, aber sicher verpfeifen sich alle Telefon- und Internetverbindungen, die über den Funkmast geroutet werden, in die Grauzone.

Im Oberland für einen älteren Herrn, der hingefallen war, den Krankenwagen gerufen. Vor den Hummerbuden wird gerade geheiratet. Ein Samstag.

Jetzt auch mit Bananengeschmack

Langsam neigt sich die Sommersaison dem Ende zu, in einem Monat beginnt für die Fährschiffe die Wintersaison und auf dem Felsen werden die Bürgersteige nur noch an geraden Kalendertagen heruntergeklappt.

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Ein paar unerschrockene Kanufahrer nutzen noch die letzte Gelegenheit, hinaus zu fahren, unter anderem auch mit diesem polynesischen Outrigger. You’ve come a long way, baby ;-) .