Hier und weg

Sie sind wieder hier. Die Seevögel am Lummenfelsen…

…und bei den Basstölpeln wird geschnäbelt und geposed, was das Zeug hält.

Irgendwie muss ich an mich selbst denken, irgendwann in den Achtzigern in der Disco.

Ein unglaublicher Krawall und zum Glück weht ein frischer Wind, sodass die Duftnote aus Fischstäbchen und Vogelmist, äh, atmosphärisch bleibt.

Zwei Dreizehenmöven sehen sich das Treiben aus einiger Distanz an und kucken ein bisschen wie Tante Else und Onkel Gerd auf Tagestour.

À propos: Die Sommertouris sind auch wieder hier. Die machen andere Geräusche, eher so brabbel-brabbel, roll-roll, wenn sie in Scharen unter meinem Fenster die Hafenstraße entlang pilgern.

Aber im Ernst, der Winter war lang und still und häufig auch düster genug, sodass es eine willkommene Abwechslung ist, wenn mal wieder Leben in die Bude kommt.

Und im Oktober werden wir wieder kurz durchatmen, wenn der Zauber vorbei ist ;-) . Das ist halt auch ein Teil des Helgoländer Jahreszyklus.

Tscha, alle sind sie wieder hier.

Nur Fe ist wieder weg, zurück aufs Festland bis Ende Mai. Also eigentlich kein Grund, mich zum Gedudel alter Fanta 4-Klopper selbst zu bemitleiden.

Aber davor war’s wirklich schöner, allein zu sein.

Nebulös

In aller Frühe schleppe ich mich zum Arzt. Kein Grund zur akuten Sorge, es ist nur einer dieser Sie-sind-ja-nunmal-über-Fünfzig-Termine, bei denen diverse Körperflüssigkeiten abgezapft werden. Und “bitte nüchtern” bedeutet nicht nur “kein Frühstücksbier” (also, das auch ;-), sondern: Nix.

Daher auch keinen Kaffee. Argh. Dementsprechend fühle ich mich reichlich nebulös. Der Rest der Welt sympathisiert.

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Ein paar Nadelstiche später klärt sich allmählich mein Blick.

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Die Arzthelferin ist sehr jung, sehr gutaussehend und ein bißchen größer als ich mit meinen 1,88 Metern. Ich verkneife mir die Frage, ob sie Anna heißt, denn den Witz hat sie bestimmt schon einige Male zu oft gehört.

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Und Kaffee ist doch irgendwie besser als Blutentnahme, basta!

Zuhause

Offiziell sind die Feiertage vorbei, der Sturm hat abgeflaut und es kommen wieder Fährschiffe mit Gästen auf die Insel.

Es gab dem Hörensagen nach ein paar langgezogene kollegiale Trinkfeste, aber ich habe gepaßt. In den Achtzigern fand ich das cool, aber heute nicht mehr so. Das trifft sich gut, denn gut dreißig Jahre später wäre die Rekonvaleszenz-Phase doch schmerzhaft lang. Und das mit dem “Stihille Nacht…” kann man ja auch mal ganz wörtlich nehmen.

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Also bin ich den größten Teil meiner Freizeit über zu Hause. Zuhause stellt sich hier als eine Art sehr geräumiger Schiffskajüte dar (plus dem Raum in meinem Kopf, den Welten in Büchern und auf diversen Festplatten und Flash-Speichern). Ein Umzug ist etwas komplizierter als sonst, denn du kannst dein Gerümpel nicht einfach selbst in einen Mietwagen laden. Der Wohnraum auf der Insel ist absurd teuer und ohne Hilfe des Arbeitgebers nahezu unbezahlbar. Das liegt größtenteils daran, daß die wirklich schönen Häuser zwar im Winter leer stehen, aber trotzdem als Sommer-Ferienwohnungen reserviert bleiben. 

Meine Möbel und kistenweise Zeugs sind immer noch in einem Keller auf dem Festland und nach einem guten halben Jahr frage ich mich allmählich, wozu ich sie früher überhaupt gebraucht habe. Tisch, Stuhl, Bett, Badezimmer und Küche. Ein paar Bücher, Schreibutensilien und eigentlich ist Alles da.

Tütenmilch für den Kaffee ist allerdings gerade ausgegangen und morgen ist Sonntag. Hmpf.

Windstärke 10

Windstärke 10 (Beaufort): Schwerer Sturm

An Land: Bäume werden entwurzelt, Baumstämme brechen, Gartenmöbel werden weggeweht, größere Schäden an Häusern; selten im Landesinneren.
Auf See: Sehr hohe See, sehr hohe Wellen, weiße Flecken auf dem Wasser, lange, überbrechende Kämme, schwere Brecher.

Soweit die Wikipedia.

Seit vier Tagen war keine Fähre mehr hier und gestern haben auch die Inselflieger den Betrieb eingestellt.

Der Instinkt sagt einem: Bleib lieber im Haus. Die Ladenbesitzer auf der Insel hassen dieses Wetter, die Kneipenwirte lieben es, denn die Touristen und die frisch Zugezogenen finden natürlich alles ganz romantisch und aufregend und werden in ein paar Stunden nach Grog verlangen. Tatsächlich beginne ich heute zu verstehen, wie man dieses Gebräu überhaupt runterbringen kann. Im weitesten Sinne steht Grog in der gleichen Beziehung zu Sturm wie Hustensaft zu Erkältung (hilft zwar nicht, beruhigt aber ;-).

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Am Nordosthafen kommt die See über die Hafenmauer, von der im Sommer die Inselkinder ihre Fünf-Meter-*rschbomben gestartet haben. Vor der Bücherei stapeln sich die ersten Sandsäcke und die Bibliothekarin erzählt mir fröhlich, daß die Jungs die Sandsäcke wieder falsch gelegt haben. Das Wasser kommt nämlich nicht vom Hafen, sondern wird vom Nordostwind zuerst mal hundert Meter ins Dorf hinaufgetrieben, um dann auf dem Rückweg einen kurzen Besuch in der Bibliothek abzustatten.

Am Nordstrand setze ich kurz die Brille ab, weil der waagerecht heranfegende Gischt in Sekunden die Gläser mit Salzwasser verkleistert. Dann setze ich sie wieder auf,  weil sie doch einen guten Schutz gegen die Sandkörner und Tangfetzen bietet, die da mit angeflogen kommen. Man könnte das vielleicht als Thalasso-Sandstrahl-Massage vermarkten ;-).

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Die See brüllt mich an. Ich kann es nicht anders beschreiben. Eigentlich kann ich es gar nicht beschreiben.

Im Oberland wird es dann etwas schwierig, einen geraden Kurs zu halten. Ganz ohne Grog. Der Wind packt mich an der Jacke wie ein mäßig bedröhnter Hooligan und zieht mich einfach ein paar Schritte mit, bevor ich gegensteuern kann. Vorsicht also vor allem auf der Leeseite der Insel, denn wer will schon auf die harte Tour austesten, ob der Schutzzaun am Klippenrand noch komplett in Ordnung ist?

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Der Sendemast hinterm Leuchtturm macht ein Geräusch wie eine Mischung aus Kirchenorgel und wütendem Dinosaurier. Eigentlich ist das eine ziemlich stabile Konstruktion aus Stahlfachwerk, aber heute frage ich mich nicht mehr, warum die Statiker dem Ding noch drei Pardunen (Abspannseile) aus Fünfzehn-Millimeter-Stahlseil verpaßt haben.

Als ich wieder zu Hause ankomme, bin ich mäßig unterkühlt, salzverkrustet und auf völlig dämliche Art und Weise glücklich.

Und sch**ß auf Grog. Espresso rules ;-).