Advent

Um vier Uhr nachmittags fängt es an zu dunkeln.

Die Tage wechseln zwischen Grau und weniger Grau.

Manchmal reißt der Himmel auf und dann….

gibt es ein eigenes Schauspiel dort oben,

wo wir das Namenlose, die Seelen, Engel – und ich weiß nicht was vermuten.

Wie auf dem Festland stimmt sich die Inselgesellschaft auf Weihnachten ein.

Die LED-Rehe geben sich ein Stelldichein

die Nordseehalle ist zugeparkt.

es wird zum Weihnachtsflohmarkt geladen.

Diese Zweibeiner interessieren weder Flohmarkt noch Weihnachten

sie genießen den Windschatten der Nikolaikirche

und pfeifen dort ihr eigenes Lied.

und der Wind schmückt die Friedhofsbäume auf seine Art –

mit den Hinterlassenschaften der großen Zweibeiner.

Under construction

Auf dem Festland arbeiten Menschen jetzt auf Weihnachten hin, auf Helgoland wird im November umgebaut –

oder Urlaub gemacht.

Die Tage sind häufig grau

mal mehr, mal weniger vernebelt.

Manchmal findet man noch Grüppchen von Leuten, die mit Teleskop und Kamera eine besonders seltene Vogelart gefunden haben und sie diskutieren. Aber auch die birdwatcher haben ihr jährliches Treffen auf Helgoland bereits gehabt .

und so sind jetzt zuweilen die Straßen auch um die Mittagszeit leergefegt.

Dennoch bereitet man sich auch hier langsam auf die Weihnachtszeit vor. Das ist wohl der kleinste Weihnachtsmarkt Deutschlands;-)

Aber manchmal reißt der Himmel doch auf und

ein paar Sonnenstrahlen küssen das Meer.

So gibt es in all dem Grauen und Trostlosen Lichtblicke im Kleinen wie im ganz Großen –

russische Soldatenmütter – iranische Frauen und Mädchen – habt Dank für euren Mut –

….bayarefor dancing in the allees and the streets ….

Nach dem ersten Sturm….

Während die Welt am Rande eines Atomkrieges entlang taumelt, scheint auf dem Felsen alles wie immer zu sein.

Der erste Herbststurm zog über die Insel

und hinterließ neuen Strauchschmuck.

Er verjagte die letzten Reste des Sommers.

Über ein langes Wochenende hinweg waren wir mit ein paar unentwegten Gästen alleine.

Anders als auf dem Festland bringt ein Sturm nicht immer nur Dauerregen und Pustewind. Manchmal klart der Himmel auf ….

und während im Süden oder Westen die nächst Regenfront heranzieht,

scheint auf der Ostseite kurz die Sonne.

Danach erscheint der Himmel frisch gewaschen.

Doch die sockenfreie Zeit ist vorbei. Die Schatten sind länger geworden.

Morgens malt die aufgehende Sonne wieder ihre Schattenbilder an die Wand.

Manchmal kommt mir der Friede hier unwirklich vor. Manchmal verzweifle ich an dem Maulheldentum mancher medialer Vertreter. Immer bewundere ich den Mut russischer Demonstranten. Es gibt immer ein Dennoch: “Sagt nein, wenn sie euch ziehen.”

Neulich las ich ein Zitat aus einem Roman von Serhij Zhadan:

Schura: “Ich denke, es wird nichts.” Harry: “Na, dann wird es halt nichts. Man muss es aber trotzdem versuchen, richtig?”

Alltag

Trotz Sonnenschein hängt heute eine Dunstglocke über dem Felsen.

“Waschküchenwetter”, nannte T. dieses Phänomen. Es wirkt, als ob heute noch ein Gewitter niedergehen wird.

Egal ob Wochenende oder nicht, während der Saison ist ein Tag wie der andere.

Auf dem Falm flanieren Gäste an den Schaufenstern entlang oder nehmen einen Kaffee auf der Terrasse des Oberlandspäti.

Woran man Gäste von Insulanern unterscheiden kann? – Sie hinterlassen Botschaften am Nordoststrand.

Sie tragen Rucksäcke, oft beige Funktionskleidung. Sie schauen sich die Auslagen der Geschäfte an, während Insulaner daran vorbeigehen – meist eiligeren Schritts. Sie blicken sich suchend nach Cafés um oder verweilen auf dem mittleren Plateau der Treppe, weil sie sie zu schnell angegangen sind.

Die Kirschen sind gereift. Die Amsel lässt von dem Treiben auf der Treppe nicht beeindrucken und speist weiter.

An der Konzertmuschel erfreut ein Gitarrist mit irischen Melodien – von Insel zu Insel sozusagen. Sie mischen sich unter das allgemeine Summen menschlicher Stimmen, dem Schrei der Möwen und dem leisen Geplätscher der See.

Auch eine junge Liebe gehört zu diesem Treiben.

Hier steht die Luft. Der Horizont Richtung Südosten verschwimmt.

Kaum zufassen, dass es keine 1800 km weiter einen anderen Alltag gibt. Die Kinder in der Schule sagen, sie hörten gar nichts mehr aus der Unkraine. Wir haben die Absurdität dieses Krieges in unseren Alltag übernommen. Es gibt ihn, aber er ist für uns nicht sichtbar. Doch wir sind schon in die Logik des Krieges verstrickt, wenn nur ein Sieg der Ukraine denkbar ist – und nur ein ‘Sieg’ die Basis für Friedensverhandlungen sein kann.

Die chinesischen Zeichen für Krise setzen sich aus Gefahr und Gelegenheit zusammen

Vielleicht hat die junge Liebe eine Chance – und all die Kinder, die in diesen Tagen geboren werden.

……

“… und nächstens wird es Sommer”

So endet das Juni-Gedicht des guten alten Erich Kästner. Ja – der mit dem kleinen Emil, der mit Hilfe einer Gruppe von Kindern einen Dieb stellt. Immer noch ein tolles Beispiel für self empowerment. Ja – auch der, der die Entwicklung der Menschheit 1932 (!) humorvoll pessimistisch kommentiert.

Das Wetter mag sich nicht an Ferienkalender halten.

Wie schon am Himmelfahrtswochenende gibt es auch zu Pfingsten nicht Urlaubsfreudesonnenschein.

Wind und Wetter blasen so heftig, dass MS Nordlicht und der Adler Cat ihre Fahrten absagen.

Sonne und Regen wechseln stündlich….

Ich gehe raus und probiere meine neue Regenjacke aus. Von oben betrachtet sieht die See gar nicht so bedrohlich aus.

Aber der Sound am Fernmeldemast erzählt mir etwas anderes.

Es ist so laut wie ….. neben einer dicht befahrenen Autobahn? Nein – nicht vergleichbar. Dieser Gesang in den Wanten des Sendemastes ist beständig. Er legt sich ins Ohr und orchestriert den Blick aufs Meer.

Er verhält sich wie ein guter Soundtrack – unterschwellig sich einfügend, so dass er mit dem Bild verschmilzt…

Alles blüht ….

Der Wildkohl ……

die Wildrosen …….

der Weißdorn …..

die Palmen…

Die Nächte werden kürzer und manchmal bleibt der Horizont im Norden schon hell… (wenn die Nacht klar bleibt ;-)

Die Vogelwelt brütet – und da ist auch schon ein Junges da,

während andere noch Eier wärmen. Die Länge der Sitzung lässt sich an der Farbe des Gefieders ermessen.

Und da ist der Ernteplatz, an dem sich die Vögel das Polster für die Nester holen….

Im Wind stehen sie,

segeln gegen eine Bö hinaus und lassen sich zurücktragen vom Wind, der aus Westen gegen den Felsen bläst.

Weit draußen regnet es schon wieder …

eine Viertelstunde später vertreibt ein Platzregen eine Klasse, die gerade an der Anna angekommen ist.

Der Horizont verschwimmt….

Meine Regenjacke hat bestanden….

und ein paar Wochenendsegler treibt der Wind nach Norden.

Nichts muss ……

Experimente

C. und J. diskutieren leise, aber angeregt – offensichtlich nicht Probleme der Zeichensetzung.

Ich schaue fragend –

C: Kann man auch verkehrt herum in Schuhen gehen?

J. zieht seine Schuhe aus und stellt sich verkehrt herum hinein.

So –

und schlurft den langen Weg vom Klassenzimmer zum Schulhof.

Draußen –

ich: Und? –

J.: Funktioniert! Ist aber dumm!

Nächste Pause – nächstes Experiment: Wie lange halten Socken dem Abtrieb durch Asphalt stand?

Mal so – mal so

Februar – mal fährt das Schiff,

mal nicht.

So viele Stürme haben sich in den letzten Wochen die Hand über dem Felsen gereicht, dass kaum auszumachen ist, welcher Sturm gerade über uns hinwegfegt und menschliche Hinterlassenschaften in die Sträucher wirbelt.

Unsere Gebetsfahnen tanzen im Wind

Am Südhafen küssen die Wellen die Mole.

An der Nordspitze spielen sie Bockspringen.

Am Himmel weidet ein überdimensionierter Schafsgott.

Am Horizont ein Spiel von Licht und See und Wolken –

Dann – in die Sonne hinein ein Guss aus Hagelkörnern – und – tratra – ein Regenbogen auf der anderen Seite der kleinen Welt.

Die ersten Lummen sind da –

die Nistplätze der Basstölpel noch unbewohnt, aber

schscht – ich sah einen Vorboten.

Die Anna hat über den Winter eine Nase bekommen –

ein letzer Blick zurück für heute.

.

Alltag

Es ist kalt.

Mal regnet es, mal scheint die Sonne.

Der letzte Weihnachtsbaum hat einen neuen Platz gefunden.

Die Haifischzähne am Südstrand entpuppen sich als Lichtspalier.

Es ist wieder Schule.

An einem dämmrigen Morgen begleite ich meine Klasse bei ihrem Dünentag.

Wir fahren in unseren ‘Stadtpark’ und wollen die Düne als Lebensraum erkunden.

Vier Stationen laufen wir ab und erfahren etwas über Robben und Vögel, den Lebensraum Wasserspülkante und die Geologie der Insel.

Mich faszinieren immer die unterschiedlichen Strukturen, die sich Lebewesen schaffen, hier die Tunnelanlage von Dreikantwürmern –

da ein Habitat von so winzigen Tieren, dass wir sie mit bloßem Auge nicht erkennen können.

Noch sind die Basstölpel nicht eingetroffen.

Mein Platz liegt am Sonntag in der Sonne.

Hier lagen wir oft im Gras.

Sommerfrische

ein Wochenende im Spätsommer auf einem entlegenen Flecken im Meer –

heute bin ich früher unterwegs, als ich es sonst am Wochenende zu sein pflege….

auf den Straßen ist noch wenig Betrieb. Nur um den Kindergarten herum wird es etwas lauter – heute findet ein Flohmarkt statt.

Die ‘Busse’ sind noch nicht angekommen, der Falm und die Treppe noch ungewohnt leer .

Auch im Unterland geht es gemütlich zu.

Großhändler verteilen Bestellungen ….

Vorgärten dämmern vor sich hin….

Wäre da nicht das Schild …..

nichts erinnerte an die Katastrophen der Welt –

an das Erdbeben in Haiti

an die Fluchtkatastrophe in Afghanistan.

Das las ich diese Woche in den Zeitungen.

Oh doch – es muss sich wiederholen

– die Solidarität mit Geflüchteten, die Aufnahme von Menschen, die vor Krieg und Repressalien fliehen ….

Apropos Solidarität –

die Schüler der James-Krüss-Schule üben heute Solidarität

und trommeln für Menschen, die vor vier Wochen Haus und Angehörige verloren haben –

Das scheint nicht viel zu sein, aber sie geben das Beste, das sie haben –

ein paar Stunden ihrer Lebenszeit, um Geld für andere einzusammeln.

Die Busse sind inzwischen angekommen – und haben ihre tägliche Fracht an Gästen abgesetzt.

Die Ruhe ist vorbei –

bis heute Abend.

Zwischenzeit

War’s das also? –

Ich reibe mir die Augen.

Auf dem Felsen herrscht sommerlicher Alltag.

Gäste kommen und gehen,

hinterlassen am Nordoststrand ihre Botschaften.

Börteboote werden zu Wasser gelassen.

Mein Lieblingsstand hat wieder eröffnet und ich erstehe gleich einen Handschmeichler.

Hole meine Post.

Bewundere das satte Grün.

Aus Parfümerien dringen Düfte.

Angebote drängen sich in den Blick und irritieren.

Ein Nachbar gibt einen guten Rat.

Ich träumte heute Nacht:

Ich hatte meinen Impfpass verloren. Panik schoss in mir auf. Eine Empfindung von verlorener Identität, schlimmer als der Verlust eines Personalausweises.

Was macht die Pandemie mit uns?

– Aber es ist nicht ein winzig kleines Etwas, es sind die Umstände, die wir Menschen uns selbst schaffen. –

Ich reibe mir die Augen.

An meinem Fenster gehen Menschen vorbei, die über ihre letzten Einkäufe vor der Abfahrt nachdenken.

Sommer …….