Stadtmobil(-iar)

Ich gehe gerne spazieren.

Als Mensch, der in einer reizarmen Umgebung lebt, habe ich sogar zuweilen Stadthunger – auch wenn er doch eher begrenzt bleibt. Also nutze ich die Tage in D., um diesen zu stillen und Neues im Vertrauten zu entdecken.

Allenthalben stehen Roller herum, abgestellt, fallen gelassen, wie verlorene Ferienkinder.

Sie seien eine Seuche, sagen meine Brüder. Der eine, weil sie herumflögen wie Müll, der andere, weil er als Fußgänger schon öfter beinahe überfahren worden sei.

Auch die Testzentren sind mobil geworden.

Mir fällt auf, dass viele Menschen in den Geschäften keine Masken tragen, brauchen sie auch nicht mehr, die Pflicht ist aufgehoben.

Der Krieg, der 1800 km entfernt tobt, scheint unwirklich angesichts des städtischen Alltags.

Es sind Ferien

Es ist Frühjahr,

die Welt wie ein Bild von Renoir…

Die Einwohner dieser Stadt sind in Solidaritätsbekundungen zurückhaltender als die Insulaner. Aber dann finde ich doch ein großes Banner mitten in der Stadt.

Man zeige Solidarität durch kleine Stecker am Revers, meint mein Bruder, oder besuche Kundgebungen, die gebe es schon –

und ich finde auch einen Beweis:

  • mit Einordnung ;-.)

und öffentlicher Diskussion

und Manifestationen des Wunsches nach einer anderen Welt.

Die Sonne treibt das Leben auf die Straße –

Ich begegne einem alten Bekannten

Eines seiner Gedichte schickte ich meinem Seelengefährten, als unsere Liebe gerade begonnen hatte –

und er nahm es als Zeichen für etwas neues Großes in seinem Leben.

Yippie – es sind Ferien,

ich mache mich zum ……..

Nein, Moment mal, das sind schon wieder drei Wochen her. Ich machte mich zum Festland auf.

Früher fuhr ich in die Bretagne oder Normandie,

wahlweise auch mal weiter südlich an die Atlantikküste. Heute brauche ich das nicht mehr. Ich lebe auf einem Felsen mitten im Meer

und, wenn ich wegfahre, besuche ich nun Freunde und Verwandte im Binnenland.

Ich hatte Reisewetter. Doch der Sonnenschein trügt – es war an dem Tag bitterkalt.

Nachts im Hexenhaus brachte ich dann auch noch ein paar Tage Regenwetter mit – puh…..

Unser Ausflug an T.s Baum brauchte Regenausrüstung….

Ein paar Tage später Weiterreise…..

Ich weiß nicht, wie oft ich schon an diesem Bahnhof gestanden habe,

die Eisenbäume betrachtet,

durchs Dach nach Wolken geschaut,

in den Giebel geblickt habe.

Ich habe eine Schwäche für Hallenkonstruktionen aus Gußeisen. In diesen Tagen wirken sie so fragil…… ich denke an zerschossene Bahnhöfe…..

Wenn es nicht gerade wichtig ist, den nächsten Zug zu erreichen, genieße ich die Atmosphäre auf Bahnhöfen. Irgendwo hinfahren, an Orten landen, an denen man noch nicht war…. das Unterwegssein an sich….

Dann geht es weiter .. vorbei an Gleisbrachen,

vorbei am Waldstadion – die Eintracht scheint aufzuspielen……

in die aufziehende Nacht hinein.

Als ich in D. aussteige, ist es dunkel.

Die Familie meines Bruders hat Zuwachs bekommen und

meine kratzbürstige Freundin

eine Lebensgefährtin.

Abstecher in den Odenwald – Besuch bei den Kindern:

Die Blüte ist hier noch nicht ganz soweit. Auf meiner Hinfahrt sah ich die blühenden Obstbäume an der Bergstraße. Hier – ein Seitental weiter ins Mittelgebirge hinein – sind die Bäume noch nackt. –

An Ostern komme ich zurück

– es ist wie immer am Saisonbeginn.

Stimmen schwirren durch die Luft begleitet vom Rattern der Rollkoffer.

Möwen kreischen und überwachen die Fressbuden.

Auf der Straße ein schöner Stuhl –

aber ob er bequem ist?

Ich freue mich – und bin traurig zugleich – je pense à toi

Von Engeln und einem Inselarzt, von Kindern und Wintern

Dann war der Frühling vorbei –

an einem Montagmorgen zogen Dunstschwaden über den Felsen.

Am Dienstag und Mittwoch heulte der Wind und es regnete.

Am Donnerstag lag Schnee auf dem Friedhof –

so viel wie den ganzen Winter über nicht.

In der Schule kommt mir G. entgegen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen.

“Na?” – prüfender Blick von mir. –

“Ist das ein vorgezogener Aprilscherz?”, fragt er verdrießlich wie eine Katze, die durchs Nasse soll.

Beim Bäcker darf ich anschreiben, weil ich meinen Geldbeutel vergessen habe.

“Bei dem Wetter schickt man doch keinen zweimal vor die Tür”, sagt die Bäckerin.

Ich gehe dann doch nochmal schnell raus.

Der Schnee malt weiße Schatten an die mageren Baumgerippe.

Kein Mensch unterwegs, aber an der Friedhofsmauer begegnet mir ein Blümchen –

Frühjahrsgrüße im Winter –

Ob man im Schatten eines Krieges schöne Bilder zeigen dürfe, fragt ein anderer Blogger.

Ja, man darf. Man sollte sogar – ….

Der alte Inselarzt – Kropatschek – schrieb in seinem Kriegstagebuch nicht nur über die kleinen und großen Ereignisse eines Kriegsalltags.

Es wirkt oft so, als habe er den Gegenschnitt gebraucht, um Mensch zu bleiben – nicht selbst aufzugehen in der allgemeinen Stumpfheit, um wach zu bleiben und das Entsetzliche zu sehen und zu dokumentieren.

Der kleine Engel landete nach zwei Wochen des Wartens auf dem Müll des Friedhofes.

Ich habe ihn mit nach Hause genommen…..