In diesem Jahr bin ich häufig gereist – soviel wie vor vier, fünf Jahren, als ich noch zwischen Festland und Helgoland hin- und herpendelte.

Nun geht es andersherum. Jetzt arbeite und lebe ich am Rande der Welt – und fahre los, um meine Menschen auf dem Festland zu besuchen – oder – ihnen die letzte Ehre zu erweisen.
Ich will ans andere Ende der Republik, ganz in den Südwesten, dorthin, wo Frankreich schon grüßt.
Doch zunächst begrüßt mich das Festland –

die Urgewalt des Meeres eingefangen in einer Tube – müsste das Plastikgehäuse nicht sofort zerspringen? –
Ein paar Tage später Rückreise Richtung Norden – ein Mensch braucht mich, um die ersten Schritte und Wege zu gehen, nachdem er seinen Partner verloren hat. Es ist ein Liebesdienst – und ein letzter Gruß an einen Menschen, der in T’s Leben eine Rolle spielte. –

Und wieder ein paar Tage später – wieder in den Süden, in die Metropole der Banken, Versicherungen. Ich kehre nicht in den Kiez zurück, in dem ich ein paar Jahre verbrachte, sondern einen, der am anderen Ende der Stadt liegt, eingekeilt zwischen Autobahnen und Eisenbahntrassen.
Als ich aussteige, ist es warm.
Der Soundtrack der Großstadt umgibt mich – S-Bahn-Quietschen, das heulen anfahrender Motoren, Durchsagen vom Bahnhof, vor dem ich sitze. All das wird gebunden und rhythmisiert durch ein ständiges tiefes Brummen, das mal mehr, mal weniger durchdringt, aber immer da ist – die Autobahn. Darüber wie eine Solostimme weht Italienisch kurz zu mir herüber – dann ein Handyklingeln: “Ehm Bruda, isch kann net…”.
Ich wechsle schnell mein Schuhwerk, die Stiefel sind zu warm, und setze mich neben meinen Taschen auf eine Bank. Mir ist bewusst, wie schnell ich all das wegschalten würde, wenn ich hier lebte. Ich habe hier gelebt. –
Und dann kommt sie, meine Schwester, und wir verschwinden um zwei Ecken in einer Wohnung. –
Gang durchs Quartier – es ist Flohmarktwochenende.

Am nächsten Tag haben die Hinterhöfe geöffnet. Gelegenheit, nicht nur Praktisches und Unpraktisches zu erstehen, sondern auch das Viertel und seine Leute zu sehen.
Man denkt voraus.

Ich entdecke einen unwahrscheinlichen Dachaufbau – wie ein Dorn thront er auf dem Gründerhaus. Die Sehnsucht nach freiem Blick treibt eigene Blüten…

Weltanschauungsunterricht…..

Wir finden einen Stand mit Vinylschätzen – unter anderem diesen –

und eine Melodie begleitet mich für den Rest des Tages.
Wir begegnen zwei ehemaligen Bewohnerinnen, Mutter und Tochter, die aus ihrer Stadt verschleppt und ermordet wurden.

Grüne Oase: Ja – man tritt viel Pflaster hier – und immer wieder erinnern Durchblicke daran,

dass man ein Anhängsel eines viel größeren Konglomerats ist. Und doch: ein Park entlang der Nidda – beträchtlich groß – belebt die Masse an Stein und Beton, schafft Luft, zwar keine Abgeschiedenheit, doch Ruhe und Muße.

Und Geschichten entstehen – von einem Paar Schuhe, das auf einer Parkbank ruhte und auf neue Füße wartete.

Zwei Tagesausgaben, die einem Berber spät in der Nacht, als Unterlage dienen könnten. Jetzt dösen sie noch in der Sonne, ausgelesen, weggelegt und vergessen….

Am nächsten Tag Abschied von Frankfurt –

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