On the road again – diesmal eine nächtliche Autofahrt mit meinem Bruder durch den Odenwald, den wir beide gut kennen – ein Jahr lang war unser Vater nach L. versetzt, um dort ein Schullandheim zu leiten. Es waren mit die schönsten Monate meiner Kindheit.
Später lebte mein Bruder noch einmal ein Jahr im ‘Wald’ – also mehr als genug Gesprächsstoff für eine nächtliche Tour.
Meine vierbeinige Freundin ist gewachsen und darf inzwischen den Garten untersuchen.
Wir sind im zweiten Corona-Sommer. Mich interessiert, wie sich dies in einer Stadt anfühlt.
Fast scheint es, als sei Corona gewesen,
wären da nicht die Testzentren an jeder zweiten Straßenecke.
Man betritt – wie auf dem Felsen – Innenräume mit Maske. Aber Abstandsregeln scheint es nicht mehr zu geben.
Doch, doch – es gibt sie, zum Beispiel bei der Anmeldung für einen Besuch im Krankenhaus oder im Café des Hofgutes. Also offensichtlich nur noch dort, wo sie durchgesetzt werden.
In der Stadtmitte darf man ohne Maske laufen. In den Cafés sitzen Menschen bei ihrem Latte oder Bier. Aber es herrscht nicht wirklich gute Stadtlaune.
Kein Wunder – die Ds. verzichten zum zweiten Mal auf das höchste ihrer Feiertage – das Heinerfest. Nur ein kleines Karussell erinnert traurig unter dem Reiterdenkmal daran,
dass sich gewöhnlich Anfang Juli an derselben Stelle unzählige Bier- und Fressbuden den Platz mit ihm teilen. Wo sonst der Geruch von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln mit Bratwurst- und Pommesfett eine eigenartige Melange eingehen, ist jetzt reichlich Platz zum Flanieren …
sogar soviel Platz, dass die Fotos einer Darmstädter Fotografin – Hilde Roth – großflächig ausgestellt werden können.
Das lohnt sich allerdings:
Welch ein Blick für die Gelegenheit und die Komposition, denke ich, während ich um die Banner herumgehe.
Ein Wägelchen erinnert an das Heinerfest. Dahinter findet sich ein Autoscooter. Aber es fehlt die Atmosphäre von halbstarker Pose und zuviel Deo – nur die Kurzen holen sich ihren Spaß.
In diesem Kino habe ich meine ersten Film gesehen – Dr. Schiwago. Das war nicht meine Wahl, ich war erst zehn. Meine Mutter brauchte wohl Begleitung, um einer alten Erinnerung nachzuhängen ;-).
Ich weiß nicht, warum es jetzt geschlossen ist. – Schade, aber es ist nicht das Einzige, das in D. schließt….
Nachdenklich blickt der alte erste Großherzog auf seine Stadt …
Im Herrngarten dann eine kurze Entladung von Krawall – ein Radfahrer kommt nicht schnell genug voran. Heftiges Klingeln und Gebrüll. Ein Fußgänger fühlt sich beiseite gedrängt. Man schimpft aufeinander ein. Der Radfahrer bleibt kurz stehen. Der Fußgänger läuft auf ihn zu – jetzt erstaunlich schnell, ohne seine verbale Kanonade zu unterbrechen. Als der Radfahrer wieder losfährt, rennt ihm der Fußgänger sogar noch hinterher, so wichtig ist ihm sein Recht auf ungestörtes Gehen. –
Man ist empfindlich geworden, achtet mehr auf das eigene als das Recht des anderen. Das beobachte ich.
Danach scheint alles wie zuvor –
Auch Goethe und Kant haben wieder Gesellschaft.
Am Abend – ein Spaziergang zum Watzebuckel, wo sich Jugendliche coronagerecht in kleinen Grüppchen versammelt haben. Na also, geht doch.
Der Mond versteckt sich hinter den Wolken, aber der Watzebuckel ist schon hoch genug, um einen Nachtstadtblick zu gewähren. Auch wir sitzen hier und philosophieren – und schweigen und genießen, bis es uns kalt wird.
Am nächsten Tag – die Gärten sind leer, kein Wunder, es tröpfelt ein bisschen. Mich hält das nicht davon ab, rauszugehen, aber in Süddeutschland gilt dies als schlechtes Wetter.
Also hat einer meiner Brüder ein tête-à-tête mit Karl – und wir später einen Kaffee auf dem Hofgut.
… Auf diese beiden Plakate stieß ich als erstes …großartig in dieser Kombi:
‘Schicksal, Verantwortung und der freie Wille’ – warum muss es immer eine Fanfare sein? – Über alle drei Begriffe ließe sich ein eigenes Kompendium schreiben. Welche Mauern sollen da niedertrompetet werden? –
‘Matchen. Chatten. Durchstarten.’ – dies klingt wie ‘Alles easy, Leute. Wir haben ein neues Normal, bald eine schöne neue Welt….’ – Und ja – wem soll die Last genommen werden, dass wir durch unseren Lebensstil zur Pandemie beigetragen haben? –
Nein, ist nicht alles easy, leider…… und nein, ihr Damen und Herren aus der Gralsbewegung, ihr mögt euch erleuchtet fühlen, aber ihr seid nicht raus: Ihr seid Teil dieser Welt, die auch euch Bedingungen setzt – und nur in Anerkennung dieser Tatsache kann der menschliche Wille frei sein – vielleicht ein wenig mehr Bescheidenheit? –
Und dazwischen hängen wir alle – zwischen Krisenbewusstsein und dem Wunsch, dass alles doch ganz leicht sein solle – wie früher….?