Komplimente

Im Sommer gibt es für die Gäste ein wenig mehr Kultur, denn wegen des Duty-Free-Klamauks allein würden wohl nicht mehr so viele Leute hierher kommen.

Neulich habe ich für eine Künstlerin aus Sankt Petersburg den local Roadie gemacht (Insulaner tendieren dazu, Multitalente zu sein ;-) und beim Abbau fragte sie mich, ob ich eigentlich Deutscher sei.

Hu?

Na ja, weil ich immer so helpful bin, aber auch so self-restrained, like a british person.

Ich hab zwar einen deutschen Personalausweis, aber trotzdem fühlte ich mich irgendwie geschmeichelt. Yippie!

Andererseits, das soll jetzt was Besonderes sein? Örks.

Menschen, Schiffe und Inseln

Es ist Urlaubssaison, Menschen kommen und gehen. Keine Ausrede, mit denen anders umzugehen als mit den wenigen, die sich im Winter hierher verirren.

Manchmal sind es zwanzig Leute auf einmal. Manchmal nur einer. Untergrenzen hat mein Brötchengeber zum zum Glück nicht, aber natürlich kommuniziert man mit einem Individuum auch anders als mit einem Kegelklub.

Vor zwei Jahren war ich mit einer alten Dame hier unterwegs, die schon länger auf dem Felsen Urlaub machte, als ich überhaupt am Leben bin. Aber es war ihr erster Besuch ohne ihren Ehemann, der ein paar Monate zuvor gestorben war. Da habe ich nach fünf Minuten das Programm in die Tasche gesteckt und einfach mal zugehört. War eine gute Idee.

Kleine Gruppen können auf eine andere Art schwierig sein. Manchmal steht man einem Menschen gegenüber, der einem eigentlich eine eigene Geschichte erzählen möchte (warum reisen Leute zu entlegenen Inseln, hä?).

Das kuckt dann aus den Augen und da kann die Grenze zwischen Professionalität und Herzlosigkeit hauchdünn werden.

Aber egal, am nächsten Tag reisen sie sowieso wieder ab. Ein kleiner Teil der Inselgeschichte geht vielleicht, hoffentlich, mit ihnen zurück.

Und ich bleibe hier, einfach weil sowieso und weil Fe am nächsten Wochenende hierher kommt.

Suppe

Auf dem Felsen gibt es kaum Eis und Schnee im Winter. Dafür regnet es, äh, konsequent vor sich hin. Bis ins Frühjahr hinein ist deshalb unglaublich viel Wasser in der Luft. Wo sollte es auch versickern und gebunden werden? Im Meer etwa?

Deswegen funktioniert die Wettermaschine bis in den Mai in etwa so:

Die Sonne schafft es zur Mittagszeit, die Feuchtigkeit für ein paar Stunden über den Kondensationspunkt zu erwärmen und dann gibt es blauen Himmel, tralala.

Kuschlig ist das dann, fast wie in der Sauna, aber über Nacht kühlt es ein paar Grad ab, das ganze Wasser fällt wieder runter und der neue Tag beginnt so:

(Also ich meine, ich gehe zur Arbeit und im Binnenhafen legt gerade der Frachter ab. Falls das irgendwie nicht erkennbar sein sollte. ;-)

Wartungstermin

Autos müssen alle paar zehntausend Kilometer zur Inspektion und mein Blutzucker alle drei Monate. Seezeichen auch, etwa einmal im Jahr, je nachdem, wo und wie sie den Kräften des Wetters und der Gezeiten ausgesetzt sind.

Die Kardinaltonnen östlich der Landungsbrücke haben es vergleichsweise gut. Trotzdem kommt heute die “Triton”, ein Arbeitsschiff der Küstenwache, um den Zustand der Tonne und der Ankerkette zu überprüfen.

Dazu muss das Ding aber erstmal aus dem Wasser gehievt werden.

Der Auftriebskörper wird mit einem Monsterdampfstrahler von Muschel- und Tangbewuchs gereinigt. Der führt nämlich unter anderem dazu, dass sich die Tonne im Seegang mehr bewegt und die Ankerkette schneller verschleisst.

Als ich noch ein kleines Mädchen war, lief im Kino mal ein Eastwood-Western mit dem Titel “Hängt ihn höher” (durfte ich damls natürlich nicht kucken ;-) .

An Bord wird die Tonne dann nochmal genauer auf Lecks und andere Beschädigungen untersucht. Zur Sicherheit ist auch eine Reservetonne mit an Bord.

Und danach geht es dann wieder zurück ins Wasser.

Das klingt wahrscheinlich alles nicht sooo aufregend. Es ist wahrscheinlich so spannend wie eine Großbaustelle auf dem Festland, an der gerade ein besonders sperriges Bauteil mit dem Autokran verladen wird. Da stehen dann ja auch immer ein paar Schulkinder, Pensionäre und Mittagspausen-Sachverständige herum und knipsen vor sich hin.

Es ist Kitsch, aber

…es ist auch Alltag.

Das auch.

Das allerdings auch.

Inzwischen?

Ende April trugen die anreisenen Gäste plötzlich alle wieder schwarze Fetzenlederjacken, denn die “RockNRoll-Butterfahrt” war hier. Jede Menge Iro’s an der Landungsbrücke, sehr kuschelig irgendwie und eigentlich macht eine Frührentner-Delegation aus D******d potenziell mehr Dreck und Stress.

Manchmal (nicht jeden Tag) zähle ich kurz nach, wie lange es noch bis Christi Himmelfahrt ist. Da gibts in Hessen Schulferien.

Emotionale Bindungen zu Menschen auf dem Festland sind hier schwierig.