Osterspaziergang

Ostern fällt dieses Jahr mit dem Saisonbeginn zusammen, viele Journalisten sind hier und Alle sind ganz aufgeregt. Nur die Nordsee schmollt und macht pubertäre Pfrrrt-Geräusche.

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Dann reisen die Medienleute wieder ab und die Sonne kommt heraus. Ha!

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Ich laufe in den Südhafen, um Fotos zu machen. Das ist etwa 300 Meter von meiner Wohnung entfernt, aber trotzdem wird es unterwegs dunkel und Hagel prasselt auf mich nieder, sodaß ich mich in einem Strandkorb vor dem leerstehenden Haus Marinas verkrieche.

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Ist das dann eigentlich ein Regen- oder ein Hagelbogen?

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Nach zwei Minuten schlägt etwas mit einem deutlichen Klonk an die Rückseite des Korbes. Oh, ein anderer Strandkorb. Da sitzt aber niemand drin und dann wehen die natürlich auch schneller weg. Ich suche trotzdem lieber Schutz hinter dem Haus.

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Bevor ich meine durchgeweichte Zigarette fertig geraucht habe, ist schon Alles vorbei.

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Den Möwen ist das natürlich mal wieder piepegal.

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Achso, ja, Ostern:

Vor 1983 Jahren hat sich angeblich mal ein Mensch lieber ermorden lassen, als seine pazifistische Überzeugung zu verleugnen. Praktischerweise war er aber Gottes Sohn und weil er dachte, daß dieser Märtyrersch*** die falsche Botschaft sendet, beschloß er, lieber wieder von den Toten aufzuerstehen. Und weil dann alle gerade so gut drauf waren, meinte er:

Das kann jetzt jeder haben, es gibt aber einen Haken. Zuerst müßt ihr lernen, meine Mörder zu lieben.

Diese Idee hat sich noch nicht so recht durchgesetzt.

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Als Spezies vertrauen wir bis auf Weiteres lieber auf das Herstellen und Abfeuern von Waffen. Kurzfristig bringt das oft einen taktischen Vorteil.

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Langfristig nicht.

[Die letzten beiden Bilder stammen von Franz Schensky, der der Inselfotograf auf Helgoland im 19. und 20. Jahrhundert war.]

Reality Check

Das Radio sagt zum x-ten Mal: Flughafen Bombe Mörder Todesopfer.

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Ich sehe aus dem Fenster, aber da ist nur die Sonne, die untergeht. Eine Elektrokarre fährt hinauf ins Oberland. Absolute Stille.

Inseln sind komisch.

Keiner ist hier besser, Leute hassen sich, lästern übereinander, werfen sich Knüppel zwischen die Beine, der ganze Schrott.

Aber wahrscheinlich sind wir einfach – rein quantitativ – nicht genug Menschen, um so einen richtig üblen Mob zusammenzukriegen.

Begegnung ohne Bild

Ein Sonnentag, die Gäste der 11-Uhr-Führung sind gut drauf, stellen die richtigen Fragen und häufig ;-) weiß ich auch die richtigen  Antworten. Ein paar Leute möchten gleich weiter zur langen Anna, also verlege ich die Ziellinie an den Berliner Bär im Oberland.

Einem Gast hat gut gefallen, wie ich die Bedeutung der Inselbücherei erwähnt habe, denn er ist selber Bibliothekar in Cuxhaven. Wir sitzen noch eine Weile zu viert auf der Bank, schnacken ein wenig und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen.

“Entschuldigung”, fragt uns eine wahnsinnig gut aussehende junge Frau mit windzerzausten blonden Haaren, “können Sie mir sagen, ob man von hier ins Unterland zurückkommt?”

“Ja”, antworte ich und gehe zu ihr hinüber. “Darf ich mich bei Ihnen unterhaken?” frage ich. Sie lächelt und nickt. Wir gehen die paar Schritte zur Invasorentreppe und ich sage: “Hier geht die Treppe los. In der Mitte ist eine Stufe mit einem lockeren Stein, aber auf der linken Seite gibt es einen Handlauf. Ich könnte Sie auch ein Stück begleiten.”

“Vielen Dank”, sagt sie, “aber das genügt schon.” Sie lächelt wieder, vielleicht ein wenig spitzbübisch, als ob sie diesen Spruch schon oft gehört hat. Dann nimmt sie ihren weißen Langstock von der linken in die rechte Hand und geht die Treppe hinunter.

Klappt einwandfrei.

 

Tierlieb

In den letzten Tagen war es wieder kalt und neblig und irgendjemand hat sich wohl Sorgen gemacht, daß der Berliner Bär im Oberland sich erkältet.

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Ursprünglich fand ich es kurios, daß viele Leute fragen, warum der da überhaupt steht. Dann wird mir aber klar, wie alt ich bin:

Früher gab es ja mal ein durch eine Mauer geteiltes Deutschland und mindestens jedes mittelgroße Kaff in Westdeutschland hatte einen Berliner Bären mit einer Entfernungsangabe. Im Grundgesetz stand ja auch drin, daß eine Wiedervereingung von Ost- und Westdeutschland irgendwie eine erstrebenswerte Sache sei.

Seit über einem Vierteljahrhundert ist das aber eigentlich Geschichte. Gut, daß sich gelegentlich jemand um den kleinen Kerl dort oben kümmert. Meistens ist das nämlich der windigste Ort auf dem ganzen Felsen.

Vielleicht hat aber auch nur jemand seine Mütze verloren ;-) .

Au weia

In den vergangenen Tagen habe ich einige besorgte Mails erhalten und eine Freundin hat sogar vom Festland aus hier angerufen. Wahrscheinlich, weil es in den letzten paar Einträgen hier im Blog nicht mehr so viel um Heimatkunde und Wetterlagen ging, sondern um die Gedanken, die ich mir um ein paar Schicksals-Klopper mache. Seit Beginn des Jahres sind einige traurige Dinge geschehen.

Und die Stille hier auf der Insel bewirkt, daß ich auch in dieser Situation meine eigenen Gedanken sehr gut hören kann. Hier gibts keine Verkehrsstaus oder Blödmänner in der U-Bahn, die mich davon ablenken.

Mein Alltag sieht halt oft so aus.

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Macht euch keine Sorgen, das ist Alles ganz normal.

Gernegroß

Als ich noch klein war, kam ich mir groß vor. Ein verständlicher Irrtum, denn mit vierzehn Jahren war ich schon einen Meter achtzig lang, aber mein Leben war noch ziemlich kurz. Und ich las dicke Bücher, von Huxley und Nietzsche, Frisch und Dürrenmatt, weil ich dachte, dann ginge es schneller.

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Inzwischen sind nur noch wenige Zentimeter dazugekommen, aber eine Menge Jahre. Und ich weiß, wie klein ich in Wirklichkeit bin (zwischen den Häusern der Städte war ich nie klein, nur mickrig ;-) .

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Eines Tages werde ich wirklich groß sein, so groß wie die ganze Welt. So groß, daß ihr mich nicht mehr sehen könnt.

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Das sollte euch dann bitte nicht traurig machen.